Mittwoch, 10. Juni 2009

Wahlpflicht-Nonsense

Nach dem für die SPD durchaus enttäuschenden Ergebnis der Europawahl - 20,8% - rumort es bei den Sozialdemokraten augenscheinlich kräftig. Ein besonderer Auswuchs der parteiinternen Fehlersuche kommt vom Bundestagsabgeordneten Jörn Thießen, der über die Landesliste den Wahlkreis Steinburg - Dithmarschen Süd vertritt. Hr. Thießen fordert die Einführung einer Wahlpflicht inkl. einer Strafgebühr von 50 € für alle Nichtwähler, berichtet Die Welt.

Diese Idee lässt tief blicken in das Demokratieverständnis von Hrn. Thießen und in ein bei der SPD generell beliebtes Schema: Wenn etwas verboten ist, dann passierts auch nicht und alles wird besser.

Hrn. Thießen ist völlig zu Recht über die niedrige Wahlbeteiligung bei allen Wahlen besorgt. Er sagt ebenso zu Recht (siehe den Artikel der Welt) dass eine Demokratie ohne Demokraten nicht funktionieren kann. Da wird ihm niemand widersprechen, denn es gehört zu den Selbstverständlichkeiten der Demokratie dass man danach strebt dass eine möglichst große Zahl von Bürgern ihre Stimme abgibt.
Dennoch ist eine Wahlpflicht eine denkbar ungünstige Form der Erhöhung der Wahlbeteiligung da die Wahlbeteiligung durch Zwang erhöht wird - also durch die Ausübung einer Form von Gewalt (nämlich der drohenden Strafzahlung). Dies bedeutet dass man die Bürger an die Urne zwingt und das sehe ich im deutlichen Konflikt zur Selbstbestimmung, einem Grundrecht jedes Menschen. Die politische Selbstbestimmung schließt das Nichtwählen mit ein, denn auch das Nichtwählen ist eine Meinungsbekundung.

Und diese Meinungsbekundung ist durchaus nicht nur Ausdruck von Desinteresse an der Politik. Es kann genausogut eine Unzufriedenheit mit den politischen Kräften sein und das ist eine völlig legitime Meinung die sich durch Nichtwählen durchaus deutlich machen lässt.


Die Einführung einer Wahlpflicht bekämpft nicht die Ursachen, sondern benutzt einen Zwang um eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Dies ist unzulässig, insbesondere wenn es um den Kern unserer Demokratie, die Wahlen, geht. Anstatt per Gesetz die Wahlbeteiligung auf ein hohes Niveau zu zwingen wäre es von seiten der Politikn wünschenswerter auch die Nichtwähler wieder für Politik zu begeistern. Das bedeutet, dass deutlich gezeigt werden muss, wofür eine Partei steht und glaubhaft gemacht werden muss, dass sie dies zu erreichen bestrebt ist. Wie oft hört man von unzufriedenen Wählern, dass es prinzipiell egal sei für wen gestimmt wird, weil "die alle das selbe machen"? Das ist natürlich eine falsche Aussage, aber es ist eine Sichtweise die von einer nicht zu ignorierenden Zahl von Bürgern geteilt wird und darin liegt die eigentliche Gefahr für die Demokratie. Wenn es dem Bürger egal ist, wer gewählt wird, weil er davon ausgeht dass sich am Status Quo nichts ändert, dann öffnet das Tür und Tor für diejenigen, die den Status Quo zum Nachteil der Gesellschaft ändern wollen.

Natürlich ist dieser Prozess bedeutend komplizierter als das Erlassen eines Gesetzes, das in undemokratischer Art und Weise die Menschen an die Urne zwingt (mal davon abgesehen: Wer kontrolliert, ob sie da nicht ungültig wählen?). Aber wie so oft ist ein Gesetz die schlechtere bzw. garkeine Lösung für das Problem. Die Unzufriedenheit mit der Politik wird sich nur durch aufrichtige, wählerorientierte politische Arbeit auf allen Ebene bekämpfen lassen.

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